Zentralverschluss oder Schlitzverschluss?

Ein wichtiger Punkt - meistens schon das Haupt-Killerkriterium für bestimmte Kameramarken. Im Kleinbildbereich haben sich Schlitzverschlüsse durchgesetzt. Diese funktionieren ähnlich wie ein grosser Vorhang in einem Theater: Der Vorhang wird aufgezogen, ein zweiter Vorhang hinterher in der selben Richtung zugezogen. Aus physikalischen Gründen braucht ein solcher Vorhang immer eine gewisse Zeit, bis er vollständig von links nach rechts durchgezogen ist. Schnellere Verschlusszeiten erreicht man dadurch, indem man den zweiten Vorhang schon starten lässt, wenn der erste noch gar nicht ganz offen ist. So funktionieren heute die meisten modernen Kleinbildkameras.

Probleme ergibt diese Technik, wenn man bei kurzen Zeiten blitzen will - man möchte ja nicht nur einen kleinen Ausschnitt (der zwischen den Vorhängen verbleibt) erhellen. So bleibt Blitzen auf die Verschlusszeiten beschränkt, bei denen mindestens für einen Augenblick der erste Vorhang offen ist und der zweite noch nicht gestartet ist. Diese Zeit nennt man Offenzeit oder eben auch Blitzsynchronzeit ("X-Sync"). Im Kleinbildbereich ist das derzeit bei den meisten Kameras 1/125s, im Mittelformatbereich wegen des grösseren Verschlussvorhanges meistens 1/60s.

Das kann nun Probleme geben, wenn man bei hellem Tageslicht mit dem Blitz noch leicht aufhellen will - etwa bei Offenblende für schöne Hintergrundunschärfen. Dann ist die Zeit von 1/60s viel zu lang, und abblenden würde wegen der Schärfentiefe die Bildwirkung verändern. Entweder verzichtet man nun auf den Blitz, oder man verwendet ein Zentralverschlussobjektiv. Wie der Name schon sagt, sitzt der Verschluss dabei im Objektiv selber. Ähnlich wie bei der Irisblende werden dabei blitzschnell Lamellen bewegt, so kann auch bei 1/500s das Bild mit dem Blitz belichtet werden. Es gibt nun zwei Varianten:

Reine Zentralverschlusssysteme bestehen aus einer Kamera, die selber keinen Verschluss eingebaut hat. Nur die Objektive haben einen Zentralverschluss. Man kann bei jeder Verschlusszeit blitzen, kann aber auch nur Zentralverschlussoptiken verwenden. Fremdadaptionen (etwa Vergrösserungsobjektive am Balgen oder Fremdshifts) sind nicht oder nur umständlich möglich.

Viele Schlitzverschlusskameras haben auch ein oder zwei Zentralverschlussobjektive (meist Porträtbrennweiten) im Angebot, die benutzt werden können. So kann wahlweise der Schlitzverschluss der Kamera mit den "normalen" Objektiven (sowie mit Fremdadaptionen) benutzt werden, die Blitzsynchronzeit beträgt dann 1/30s. Oder man setzt das ZV-Objektiv an die Kamera und kann dann auch bei kürzeren Zeiten (bis 1/500s) aufhellblitzen.

Man sollte sich gut überlegen, wie oft man blitzen will. Wer im Studio mit Mittelformat arbeiten will, wird sich über eine Synchronzeit von 1/60s schnell ärgern. Für offzielle Hochzeitsfotografen sind Zentralverschlussoptiken ein "muss", damit sie an grauen Tagen mit dem Blitz noch etwas Brillanz in die Aufnahmen hineinzaubern können. Ein weiterer Vorteil von Zentralverschlusssystemen ist die geringe Erschütterung beim Auslösen. Die Gefahr von Verwacklern liegt bei Schlitzverschlusssystemen höher. Wohlbemerkt: Für knackscharfe Bilder empfiehlt sich nebst Zentralverschluss auch die Benutzung von Spiegelvorauslösung und Stativ. Ausserdem löst ein Zentralverschluss-Objektiv auch flüsterleise aus, im Gegensatz zum deutlich hörbaren Rattern der Schlitzverschlusskameras.

Wer hingegen gerne Bastellösungen oder Fremdobjektive wie günstige Russenshifts adaptieren will, ist mit einem Schlitzverschluss in der Kamera besser beraten. Diese erreichen auch kürzere Zeiten (1/1000s, 1/2000s, wenige 1/4000s - allerdings braucht man solche Zeiten sehr selten), während Zentralverschlüsse die 1/500s als kürzeste Zeit kennen (Ausnahme: Rollei PQS-Objektive können mit einigen 6000er-Modellen bis zu 1/1000s). Auch sind Objektive ohne Zentralverschluss meistens lichtstärker. Wem die Porträtbrennweite zum Aufhellblitzen reicht, kauft zum Schlitzverschlusssystem einfach ein ZV-Objektiv. Allerdings muss man dazu sagen, dass bei einigen Systemen die Belichtungsmessung mit solchen ZV-Objektiven nicht möglich ist oder die Bedienung sehr umständlich erfolgt. Letzlich ist es auch eine Preisfrage: Zentralverschlussobjektive sind generell deutlich teurer als Objektive ohne eingebauten Verschluss.

Über die Zuverlässigkeit wird gestritten. Sicher ist aber, dass ein Verschluss nach spätestens 10 Jahren sowieso revidiert werden sollte. Gebrauchtkäufer sollten gerade bei älteren Geräten zuerst den Verschluss durchchecken lassen, unabhängig von der Verschlussart. Sicher ist, dass elektronisch gesteuerte Verschlüsse genauer ablaufen als mechanisch gesteuerte. Dafür laufen mechanische Verschlüsse logischerweise unabhängig von Batterien oder Akkus. Es gibt allerdings auch elektronisch gesteuerte Kameras, die eine mechanische Notzeit bieten.